09.11.2018
Die SPD wird gebraucht für eine ökologisch-soziale Koalition
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Ökumenischen Zentrums,
Vor einigen Tagen haben wir die Mitteilung von Ex-MdB Detlev von Larcher (SPD) attac-Mitglied und Moderator der Kampagne "Transaktionssteuer: Steuer gegen Armut" veröffentlicht, dass Finanzminister Olaf Scholz zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron eine europäische Finanztransaktionssteuer (FTT) zur Eindämmung der Finanzspekulation verhindert habe.
Für eine FTT hatten wir uns eingesetzt. Eine FTT hatte die SPD uns versprochen. Die Einführung einer FTT steht so auch im Koalitionsvertrag.
Neben der Mithilfe zur weiteren Aufrüstung Saudi-Arabiens, d.h. einer weiteren Befeuerung der Waffenlieferungen, trotz gegenteiliger Koalitionsvereinbarung und trotz des Versagens in der Diesel-Betrugsaffäre ist die Quasi-Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch den damaligen SPD-Wirtschaftsminister und SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und die Erhebung einer Solarsteuer das für mich Schlimmste, was die SPD in den letzten Jahren produziert hat. Da ich vor einigen Jahren selbst ein kleines Klimabuch (siehe hier) geschrieben habe, bin ich ziemlich vertraut mit der Thematik.
Der diesjährige Frühling, Sommer und Herbst mit seiner ungewöhnlichen und lang anhaltenden Hitze und Trockenheit von Ende April bis mindestens in die Mitte des November hinein (es hat in diesen über 6 Monaten in Berlin weniger als zehnmal geregnet) ist der Vorgeschmack unserer nahen und mittleren Zukunft. Die Unwetter-Katastrophen in Italien am Alpenrand, in Ligurien, Sardinien, Rom, Sizilien und die Trockenheit-Hitzewellen in Mitteleuropa sind die klimatische Zukunft Europas.
Von den 10 wichtigsten sog. Kipp-Punkten des Erdsystems sind vier schon erreicht:
- Das arktische Meereis geht verloren und verändert den sog. Jetstream, die zentralen Luftbewegungen der Nordhalbkugel, und verändert den Golfstrom, dessen Fließgeschwindigkeit sich dramatisch verringert.
- Der grönländische Eisschild schmilzt weit rascher als die Klimawissenschaftler*innen angenommen haben und führt in wenigen Jahrzehnten zu einer gefährlichen Erhöhung des Meeresspiegels.
- Die nördlichen Permafrostböden tauen mit dramatischer Geschwindigkeit auf, geben Unmengen von Methan in die Atmosphäre ab und beschleunigen damit den Klimawandel, weil Methan 20-mal klimaschädlicher ist als CO2.
- Das arktische Meereis schwindet schneller als bisher vermutet. Vor allem der westantarktische Meereisschild, der überwiegend auf dem Wasser liegt, taut dramatisch; aber auch der ostantarktische Eisschild, von dem man bisher annahm, dass er stabil bleibt, schmilzt bedenklich. Ursache ist vor allem die Erwärmung der Meere um bisher fast 1 Grad Celsius.
Dies alles ist nicht mehr rückgängig zu machen, weil die Umwälzgeschwindigkeit der Ozeanwässer ca. 500 Jahre dauert. Auch das Schmelzen der großen Eisschilde, das Auftauen der Permafrostböden und das weltweite Auftauen der Gletscher ist nicht mehr rückgängig zu machen.
Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat kürzlich gesagt: "Wir steuern momentan auf eine Klimaerwärmung zwischen 4 und 6 Grad Celsius zu. Das wäre nicht mehr zu bewältigen."
Was also tun?
- Wir können den Klimawandel nicht verhindern, aber wir können ihn mäßigen. Wir müssen ihn mäßigen!
- Wir müssen energisch umsteuern, aussteigen aus der Karbon-Wirtschaft (Kohle, Erdöl, Gas) – so schnell wie möglich. Noch in den zwanziger Jahren!
- Lasst die Kohle in der Erde! Stoppt die Rodung des Hambacher Forstes, stoppt den Braunkohleabbau in der Lausitz!
- Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren Energien forcieren statt bremsen. Eigentlich müsste man sagen: Den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen, ist ein Verbrechen an der Zukunft unserer Enkelkinder! (Ich habe drei Enkelkinder.)
- Und: Da ich seit 25 Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender des Spandauer Arbeitslosenzentrums "Treffpunkt Regenbogen" bin, muss ich aus eigener Anschauung auch sagen: Beerdigt Hartz IV!
Die SPD muss sich erneuern. Sie muss ihre Fehler korrigieren. Sie muss ökologischer werden, wenn sie nicht den Weg der niederländischen PdA herunter auf 8% gehen will.
Die SPD wird gebraucht für eine ökologisch-soziale Koalition.
Peter Kranz
Vorsitzender des Ökumenischen Zentrums für Umwelt-, Friedens- und Eine-Welt-Arbeit e.V.